Ja, dass das Jazzfest nun in einen „Corona Lockdown Light“ fällt, hätte sich im letzten Jahr niemand träumen lassen. Doch es ist tatsächlich Realität. Das Berliner Jazzfest kann aufgrund des neuen Virus Covid19 nicht wie gewohnt stattfinden.
Wie vieles was wegen dem neuen Virus nicht mehr mit persönlicher Päsenz stattfinden kann, wandert nun auch das Jazzfest Online.
Allerdings mußte ich leider schon in den letzten zwei Jahren feststellen, dass das Jazzfest eigentlich kein Jazzfest, oder zumindest was ich darunter verstehe, mehr ist. Es war einer der wenigen Musikfeste, ein letztes Refugium für „deep in the Pocket Jazz“. Jazzgrößen wie Roy Haynes (Schlagzeuger) und Herbie Hancock (Pianist) und unglaublich viele weitere amerikanische Jazzstars die an der Entwicklung des Jazz maßgeblich beteiligt waren, spielten auf der Hauptbühne. Die „richtigen Jazzfeste“ sind sehr gut angenommen worden und Konzertsäle und Veranstaltungsorte waren ausverkauft. Die berliner Jazzliebhaber freuten sich besonders auf dieses Event, da es durch einen schlimmen Streich der Gema amerikanischen Jazzmusikern fast unmöglich gemacht worden war, ausserhalb des Jazzfestes hier in Berlin aufzutreten. Die Gema veranlasste vor langer Zeit besondere Abgaben für ausländische Musiker, angeblich um die Deutsche Jazzszene stärken zu wollen, was aber nur bewirkte, dass die Wurzeln der Jazzmusik noch weniger nach Deutschland, bzw. Berlin greifen konnten und somit die hiesige Jazzmusik eher von Ernster und „Neuzeitmusik“ beeinflußt wird und insbesondere der deutsche Jazz-Rhythmus sich nicht entwickeln konnte. Das Quasimodo zum Beispiel, dass tolle Jazzmusik nach Berlin holte, konnte dies nach der neuen Gemaverordnung finanziell nicht mehr stemmen. Ein großartiges Jazzlokal wurde den Berlinern genommen und was haben wir dafür bekommen? ich weiß es nicht…
Also warum wird jetzt auch das Berliner Jazzfest zu einem „Neues-Jazztheater“ gemacht ? Mit kochen im Foyer, lustigen Figuren auf dem Flur und Theatereinwürfen auf der Bühne. Frei Improvisiertes, chaotisches, eher der neuen Musik zugehöriges sind nun an der Festivalordnung. Zumindest ich persönlich brauche keine visuelle Unterstützung um mich an Jazzmusik zu erfreuen. Wenn es mal den ein oder anderen Musikact gibt, der etwas neuzeitlicher unterwegs ist, okay. Leider überwiegen aber nun schon wieder diese Art von Musik und es werden auch dann nicht die Originale, die Erfinder und Vorantreiber der jeweilen Richtung eingeladen, sondern „relativ“ unbekannte Interpreten . Auch sie liefern definitiv keine schlechte Musik ab, aber wer Interesse an so etwas hat, findet, bzw. fand, unzählige Musikfeste dieser Art hier in Berlin. Warum dürfen dann nicht wenigstens einmal im Jahr die Berliner einige der großen Jazzmusiker hören ? Wird hier wieder mal an der falschen Stelle Geld eingespart? Als Resultat blieben im letzten Jahr viele die Sitze leer.
Zu dem neuen Format gehört auch, dass unnötig viel Papier bedruckt wird um zu erklären und anzufügen und einen Sinn den es nicht braucht in die Musik zu bringen. Wer hat Lust das alles zu lesen und sich mit den Gedanken anderer zu bechäftigen, der eigentlich kam um zu hören. Unnötig kompliziert hat sich auch die Teilnahme derjenigen die noch Lust haben sich auf dieses Neue-Alte-Jazzfest zu begeben, damit meine ich das Publikum. Orte werden geändert, hin und herrennen forciert als wenn wir uns nicht schon genug durch die Gegend bewegen und es ist sicher nur einigen Wenigen vorbehalten liegend am Jazzfest teilzunehmen, wie das im letzten Jahr der Fall war.
Das sogenannte neue Format kommt mir vor wie die Konzepte der Autoindustrie: Viel aufgeplustertes Blech um wenig Innovation. Eine lustige bemalung, statt einem guten Motor.
Auch sehe ich seit drei Jahren ständig sich wiederholende Gesichter. Ist die Gage von diesen Künslern besonders günstig oder gehören sie zum persönlichen Freundeskreis der Verantwortlichen für das Programm?
Fazit, das alte Jazzfest gibt es nicht mehr und es lebe das Neue, aber bitte nicht zu lange. Sollte es irgendwann wieder ein Jazzfest geben, dass persönlich besucht werden kann, hoffe ich, dass sich das Jazz-Theater in ein Theater verzogen hat und „Deep in the Pocket Jazz“ mit genügend Tradition und Innovation wieder Einzug findet in unsere Stadt.